Von Eierdieben und Maikäfern

Hansi, der Barackenjaust, erlebt den Frühling am Mergelbergwald

Die Schule stimmte uns Anfang März auf den Frühling ein. Mit dem Lied „Im Märzen der Bauer…“ begann auch bei uns die Vorfreude auf Ostern. Für uns Kinder war das Osterfest eine willkommene Abwechslung, auch unseres Speiseplanes.

Hans Topel und seine Schwestern Margit und Renate vor dem Hühnerstall. Dort wurden die Eier für das Osternest produziert. Foto: pr

Vor allem viele bunte, hartgekochten Eier schmeckten. Wir verzehrten sie reichlich, und keiner machte sich über den Cholesterinspiegel Gedanken. Die Suche nach den Ostereiern erfolgte dann bei gutem Wetter auf einem Spaziergang durch den Wald. Jeder Rest einer bunten Eierschale versetzte uns in Sammellaune. Vorne weg ging meistens mein Vater und versteckte die Ostereier: einige, von uns selbst bunt gemalte, gekochte Hühnereier, wenige Schokoladen- und viele kleine, bunte Zuckerwassereier. Diese hatten die Eigenschaft, bei Nässe die Farbe zu verlieren, waren sehr süß, billig und schmeckten nicht – mir zumindest nicht.

Wir vertrauten die von uns gefundenen Eier zum Aufbewahren unserer Mutter an, die, was wir aber nicht wussten, unser Vertrauen regelmäßig missbrauchte: Die ihr anvertrauten Eier versteckte mein Vater nämlich ein zweites und auch drittes Mal.

Schwierig wurde die Suchaktion, wenn sich weitere Familien im Wald aufhielten. Da wir fest an den Osterhasen glaubten, sahen wir es nicht ein, warum wir von uns gefundene Ostereier an die anderen Blagen abgeben sollten. Da wurde schon mal von den Eltern recht autoritär eingegriffen, und manchmal war damit die Osterstimmung verdorben.

An ein Ostern kann ich mich besonders gut erinnern, weil ich damals fast den Glauben an den Osterhasen verloren hätte. Am Ostersonntag sah ich gegen 7 Uhr den Osterhasen in Gestalt einer Nachbarin. Er begann in der nahe gelegenen Ziegelei das Versteckspiel. Neugierig und erfreut schaute ich nach und fand in den Dachstützen der Trockenhalle mehrere Osternester. Gerade als ich mich als Nesträuber betätigen wollte, ertönte in meinem Rücken ein fürchterliches Gezeter. Unter einem schrillen „Du Lorbass, du Eierdieb! Das sage ich deinen Eltern!“ trat ich frustriert den Rückzug an.

Osterbrauch aus Pommern

Zum Frühaufsteher wurde ich übrigens durch einen pommerschen Osterbrauch. Demnach hatte derjenige, der am Ostermorgen, und zwar schon recht früh, das Recht, den zu diesem Zeitpunkt noch im Bett liegenden Nachbarn oder Verwandten mit einer frisch geschnittenen Rute zu wecken. Überraschend und mit den frisch geschnittenen Zweigen den Schläfer auf die nackten Beine schlagend, drang er bis zum Bett vor. Dabei brüllte er lauthals: „Pitsche, Pitsche, Pitsche Ostere.“ Was das genau bedeuten sollte, wusste ich damals nicht, es war halt pommersches Plattdeutsch. Dieses Schlagen mit der frischen Rute verursachte auch lange Zeit nach dem Auspeitschen noch starken Juckreiz. Auf jeden Fall war es in der Regel mein Vater, der uns am Bett heimsuchte. Ende April begann dann der Wald, sein Gewand zu verändern. Frisches Grün entwickelte sich in den Sträuchern und Bäumen, und das Unterholz wurde wieder dichter – und für uns interessanter.

Das frische Unterholz eignete sich hervorragend für Schnitzarbeiten. Aus Haselnuss und Weide schnitzten wir Flöten. Aus der Rinde der jungen Eschen drehten und formten wir trichterförmige Röhren, die wir, nachdem wir sie mit einem Mundstück versehen hatten, als Signalhörner benutzten. Sie waren hervorragend für unsere Ritterspiele geeignet. Auch dafür bastelten wir unsere Utensilien wie Schwerter, Lanzen, Pfeil und Bogen aus dem kostenlosen Waldmaterial zusammen.

Mit dem Mai kamen damals regelmäßig die Maikäfer in großer Zahl über die Wälder. Das Sammeln dieser Krabbeltiere, egal ob Schornsteinfeger, Kaiser, oder Müller, wurde zur großen Leidenschaft. Wir bohrten Löcher in Zigarrenkästen, füllten sie mit frischem Laub und zogen damit dann in den Wald. Die größte Anzahl an Käfern fanden wir an dem frischen Grün der Buchen und Eichen. Wir traten gegen den Baum und lösten so eine Erschütterung aus. Die Maikäfer konnten sich nicht mehr festhalten und fielen auf die Erde. Von dort wurden sie aufgesammelt und in die Kisten verfrachtet. So wurden sie für zwei bis drei Tage unsere Spielkameraden und Tauschobjekte.

Aber wir hatten auch unsere „weichen“ Seiten. Am Samstag vor Muttertag zogen wir in den Wald, um für unsere Mütter einen schönen Blumenstrauß zu pflücken. Das war nicht nur preiswert, sondern wurde auch mütterlicherseits sehr geschätzt. Beliebt waren vor allem Maiglöckchen und Schlüsselblumen, die in unserem Wald zahlreich vorhanden waren.