Mit dem Rad zur Skatrunde

Hansi, der Barackenjaust, erlebt gesellige Nachmittage im Kreis der Familie

Es klang in einigen Berichten schon an, dass das Verhältnis zu unseren Verwandten – bis auf die üblichen Querelen – immer recht gut war. Das drückte sich auch in den häufigen Besuchen untereinander aus.

Es gab aber damals eine Trennung zwischen den weiblichen, männlichen Personen und auch den Kindern. Das hing damit zusammen, dass alle männlichen Erwachsenen leidenschaftlich dem Skatspiel huldigten und keine Störungen durch ablenkende Unterhaltung duldeten.

Sonntagsnachmittags kamen die Karten auf den Tisch. Mit Schnittchen, Bier und Schnaps wurden die Familientreffen zu einer geselligen Sache. Foto: pr

Als notwendige Unterbrechung tolerierten sie nur die Versorgung mit dem obligatorischen Schnittchenteller. Der war so beliebt, weil man während des Verzehrs der Schnittchen das Spiel nicht zu unterbrechen brauchte.

Ab und zu durften auch wir Kinder dem Spiel zuschauen und das Geld zählen. Jawohl, es wurde um Geld gespielt. Aber nie um höheren Einsatz, sondern nur um ein Zehntel Pfennig. Trotzdem wurde verbissen gekämpft. Wehe dem Partner, der das Spiel seines Mitspielers nicht richtig erkannte! Machte er auch nur den kleinsten Fehler und die Runde ging damit verloren, waren deftigste Beschimpfungen an der Tagesordnung. Manchmal mussten sogar die Frauen schlichtend eingreifen. Das hatte zur Folge, dass sich der Unmut prompt gemeinschaftlich auf die Damen verlagerte und am Skattisch für kurze Zeit wieder Ruhe einkehrte. Apropos „Kurze“, und Bier wurden natürlich auch getrunken. Mit vielen Zigaretten, manchmal auch Zigarren, verwandelten die Männer die Wohnung zudem in eine Räucherkammer. Ich kann mich an einen Nachmittag in Weetfeld bei Bauer Muhle erinnern. Dort wohnte um 1950 die Familie einer Schwester meines Vaters. Natürlich ging es zu Fuß nach dorthin, es war ja nur ein Weg von etwas über einer Stunde.

Schon der Hinweg wurdezum Abenteuer, da mein Vater eine Abkürzung über eine Kuhweide nehmen wollte. Allerdings war auch ein Bulle auf der Weide. Mit meiner Schwester Margit im Kinderwagen wurde es zu einem gewagten Unternehmen, aber meinem Vater war es wichtig, dass er rechtzeitig zum Skatspiel kam.

Später fanden diese Skatnachmittage am Höhkamp in Pelkum statt – natürlich nur sonntags, weil der Samstag ja ein Arbeitstag war. Dorthin durfte ich immer auf dem Gepäckträger des Fahrrades meines Vaters mitfahren. Der Hinweg war problemlos, aber der Rückweg! Nach reichlich Bier, Schnaps und dem Frust, dass heute wieder einmal die anderen gewonnen hatten, ging es auf die Piste. Vorher hatte mir meine Tante aus Mitleid ein Stuhlkissen auf den ungepolsterten Gepäckträger geklemmt. Es war draußen schon dunkel, es regnete, und ich hatte Angst. Auch damals waren schon einige Autos unterwegs, und die Straße recht schmal. Plötzlich merkte ich, dass mein Wohlbefinden durch einen stechenden Schmerz in meinem Hinterteil erheblich gestört war – auf Deutsch gesagt: Es tat „sau weh“.

Da aber mein Vater inzwischen aus einem Wackelmodus in einen vergleichsweise normalen Fahrstil verfallen war, wollt ich es nicht riskieren, ihn darauf hinzuweisen. Mannhaft ertrug ich Schmerzen. So näherten wir uns der Blumensiedlung in Bönen, die gerade entstand. Von dort führte ein schmaler Fußpfad, der zirka ein Meter breit, 20 Meter lang lang und durch zwei Jägerzäune begrenzt war, zu unserem Ziel, der Baracke B5.

Angesichts dieses Engpasses brach mir der kalte Schweiß aus. Aber wie an einer Schnur gezogen und ohne einen Wackler passierten wir das Pättken. Kaum hatten wir jedoch das enge Wegstück hinter uns, war es mit dem Gleichgewicht meines Vaters vorbei. Wir sausten in die angrenzende Hecke.

Außer ein paar Kratzern, die wir davontrugen, ist uns nichts passiert. Für mich hatte dieser Sturz auch etwas Gutes. Endlich konnte ich untersuchen, warum mir der Po wehtat. Die Ursache war schnell gefunden: Meine Tante hatte in dem Kissen, welches sie mir als Polster geliehen hatte, eine Nähnadel vergessen. Die letzten Meter legten wir dann aber doch zu Fuß zurück, um nicht noch einen Sturz zu riskieren. Mein Vater aber kam um eine Standpauke meiner Mutter nicht herum.