1945: Hermann Volz aus KZ befreit

Das KZ Buchenwald nach der Befreiung Ende April 1945. Foto: U.S. Luftaufklärung. National Archives Washington.

Erstveröffentlichung 8.5.2015 im Westfälischen Anzeiger. 

Hermann Volz aus Altenbögge überlebte 15 Monate im KZ Buchenwald. Foto (c) Kreisarchiv.

„Hier spricht ein Arbeiter aus Hamm – Hermann Volz aus Altenbögge.“ Gebannt sitzen seine Eltern und sieben Geschwister in Bönen vor dem Volksempfänger, als diese Nachricht im Mai 1945 zu hören ist. Seit dem 5. Januar 1944 ist ihr Sohn und Bruder im berüchtigten Konzentrationslager Buchenwald als politischer Sträfling inhaftiert.

Dies ist das erste Lebenszeichen des 37-jährigen Bergmanns und Kreisleiters der KPD, der von den Nationalsozialisten seit ihrer Machtergreifung verfolgt und inhaftiert worden ist.

Später erinnert sich seine Schwester Alma Karge: „Wir waren überglücklich endlich wieder seine Stimme zu hören. Er hat so viel mitgemacht.“ Denn die Internierung im Lager Buchenwald ist nur die letzte von zahllosen Inhaftierungen, die der überzeugte Kommunist, der sich ungebeugt für seine Ziele einsetzt, seit 1933 erdulden muss.

Eine Karteikarte im Archiv des Kreises Unna gibt ordentlich aufgelistet Auskunft über den Leidensweg des Häftlings mit der Nummer 2831, geboren am 18. Juli 1908 in Lautenbach an der Saar, wohnhaft in Altenbögge an der Bismarckstraße 27, ledig: Am 14. April 1933, wenige Monate nach der Machtergreifung durch die NSDAP, wird Hermann Volz von der Gestapo verhaftet, denn der ehemalige Bergmann der Zeche Königsborn III/IV arbeitet inzwischen als Kreisleiter der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Bis zum Oktober 1933 wird Volz in den Gefängnissen Schönhausen und Brauweiler in „Schutzhaft“ genommen. Am 16. Dezember 1933 wird er erneut festgenommen und vom Sondergericht des Landgerichts (LG) Dortmund zu zehn Jahren Zuchthaus wegen „gemeinschaftlich versuchten Mordes“ verurteilt. Das LG setzt 1956 das Urteil auf vier Jahre Haft herab. Was genau ihm zur Last gelegt wird, ist nicht mehr nachzuvollziehen, da die Akten vernichtet wurden.

Vom 16. Dezember 1933 bis zum 5. Januar 1944 – wird er zehn Jahre lang immer wieder verlegt in Strafanstalten in Hamm, Dortmund, Münster, Brieg und schließlich Hameln. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wird er direkt weiter in „Schutzhaft“ genommen. Am 5. Januar 1944 steht ihm der schlimmste Weg bevor: die Deportation ins KZ Buchenwald, eines der größten Arbeitslager auf deutschem Boden bei Weimar. Zwischen 1937 und 1945 sind dort etwa 250 000 Menschen aus allen Ländern Europas inhaftiert.

Hermann Volz ist einer von ihnen, der ums tägliche Überleben kämpft. Und darum, auch seinen Mithäftlingen zu helfen. Er schließt sich dem Widerstand innerhalb des Lagers an. „Seine Aufgabe war es, die Nummern an die neu eingelieferten Gefangenen zu verteilen“, berichtet seine Schwester Alma später. „Manchmal vertauschte er die Nummern und konnte so manchen Familienvater vor dem sicheren Tod retten.“

Kommunist im Widerstand

Volz gibt nie auf und lehnt sich bis zuletzt gegen das faschistische Regime auf. Er ist auch unter den Häftlingen, die seit dem 8. April 1945 durch Boykott und Sabotage ihre Evakuierung durch die Nazis verhindern und die US-Armee heimlich per Funk um Hilfe rufen. Als die 3. US-Armee vor den Toren des KZ Buchenwald steht, übernehmen sie am 11. April 1945 die Leitung des Lagers von der abziehenden SS, nehmen 125 der Bewacher fest, öffnen die Tore und hissen die weiße Fahne. Im Lager bietet sich den amerikanischen Soldaten ein Bild des Grauens. Zahllose Leichen, die wahllos aufgestapelt sind, lassen erahnen, welche Greuel sich in Buchenwald ereignet haben. Die Zahl der Todesopfer zwischen 1937 und 1945 wird später auf etwa 56 000 geschätzt. Aber es sind auch 21 000 Häftlinge, die den Ort des Grauens lebend verlassen können. Einer von ihnen ist Hermann Volz.

Später schreibt einer seiner Mithäftlinge, Rudi Goguel, der ein ähnliches Schicksal erleiden muss, ein Buch über seine Zeit in Buchenwald unter dem Titel „Es war ein langer Weg“, worin er auch über Hermann Volz als Widerstandskämpfer und Führungsmitglied der Untergrundbewegung berichtet.

Weil er politisch unbelastet ist, machen die Amerikaner ihn nach der Befreiung zum Polizeichef von Weimar. Dort bleibt er aber nur wenige Monate im Amt, dann zieht es ihn in seine westfälische Heimat. Er kehrt zurück nach Bönen und zu seiner Familie.

Abgeordneter für Altenbögge

In einer Niederschrift über die Sitzung des Kreistages Unna am 24. Juli 1946 taucht der Parteisekretär Hermann Volz als Abgeordneter für Altenbögge auf. Seit August 1947 ist er zunächst Unterbezirkssekretär der der KPD in Bielefeld, später in Düsseldorf. 1950 bis 53 arbeitet Volz als Vertreter für eine Stuttgarter Firma. Da die gesundheitlichen Auswirkungen der langen Haftzeit ihn zu 50 Prozent erwerbsunfähig machen, arbeitet Volz, der inzwischen mit seiner 17 Jahre jüngeren Frau Gisela verheiratet ist, in den nächsten zehn Jahren bis 1963 in ihrer Werbefirma mit und hilft in ihrer Schankwirtschaft aus. In dieser Zeit ist er in Bönen in der Franz-Schubert-Straße und zuletzt an der Bahnhofstraße 92 gemeldet.

Zwölf Jahre seines Lebens verbringt Hermann Volz in Zuchthäusern und im KZ Buchenwald. Am 13. Januar 1967 bescheinigt ihm das Regierungspräsidium Arnsberg, dass ihm als Opfer der NS-Verfolgung „wegen Schadens im beruflichen Fortkommen“ eine Entschädigung zustehe. Rückwirkend zum 1. November 1953 erhält er 25 Mark monatlich als Rente.

Er stirbt am 5. April 1973 in Hamm. Heute ist Hermann Volz in Bönen nahezu vergessen.

Dank an den Kamener Historiker Klaus Goehrke sowie Barbara Börste, Archiv Bönen, und Josef Börste, Archiv Kreis Unna, für ihre Unterstützung.

Personalkarte Hermann Volz im KZ Buchenwald. Quelle (c) Arolsen Archives.