Vom Pütt zur UNO in New York

Heinrich Wieschhof (hinten links) bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates im Juli 1960. Foto © UN

Die tragische Karriere des Heinrich Wieschhoff

Sein Lebensweg führte ihn von Altenbögge und der Schachtanlage Königsborn III/IV über eine wissenschaftliche Laufbahn schließlich in den diplomatischen Dienst der Vereinten Nationen. Dort stieg er zu einem der ranghöchsten Beamten auf und wurde zum wichtigsten Berater von Generalsekretär Dag Hammarskjöld. Auf dem Flug zu einem Treffen zur Beilegung des Kongo-Konfliktes zerschellte das Flugzeug der UNO-Delegation mit Hammarskjöld und Wieschhoff wenige Kilometer vor der Landung am Boden. Bis heute blieb die Ursache des Absturzes ungeklärt und mysteriös.

Die Familie Wieschhoff ließ sich im Jahre 1910 in Altenbögge nieder; dazu hatten sie das Haus in der Bahnhofstraße 44 erworben. Sohn Heinrich Albert, der am 1. August 1906 in Hagen zur Welt gekommen war, besuchte zunächst die Volksschule des Ortes und wechselte dann auf das Pestalozzi-Gymnasium in Unna. Der Erste Weltkrieg brachte einen schweren Schicksalsschlag für die Familie: Der Vater wurde zum Militär eingezogen und fiel 1917 in Rumänien. Um die Versorgung der Familie zu sichern, heiratete die Mutter den kinderlosen Witwer Heinrich Standop.

Der Lebensweg von Heinrich Albert schien nun vorgezeichnet: Er beendete die Schule mit der Mittleren Reife, anschließend folgte in Hamm eine Lehre als Elektriker. Er wollte Ingenieur werden. Die Möglichkeit dazu eröffnete ihm die Schachtanlage Königsborn III/IV in Altenbögge, wo er Untertage begann. Doch ein schwerer Betriebsunfall beendete diese Berufslaufbahn. Nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt entschloss sich der junge Mann, an das Gymnasium in Unna zurück zu kehren; 1928 legte er die Reifeprüfung ab.

Über den erfolgreichen Abschluss hinaus wurde diese Zeit zu einem Wendepunkt für sein weiteres Leben: Einer seiner Lehrer weckte in ihm das Interesse für fremde Völker und Kulturen, besonders für die des afrikanischen Kontinents. Wieschhoff kam in Kontakt zu einem der führenden Afrikaforscher, Prof. Leo Frobenius in Frankfurt und begann dort das Studium der Völkerkunde.

Der junge Forscher ging in dem Fach geradezu auf, begleitete Frobenius auf dessen Exkursionen des schwarzen Kontinents und erlernte dabei eine Reihe von Stammesdialekten. 1933 schloss er seine akademischen Lehrjahre mit der Promotion ab.

Heinrich Wieschhoff auf der Überfahrt nach Südafrika 1928. (© Frobenius-Institut, Frankfurt, FoA 09-10006.)

Doch der Fortführung der universitären Laufbahn standen bald die neuen Machthaber im Wege – den Nationalsozialisten war das Frankfurter Institut ein Dorn im Auge. Wieschhoff beschloss, nach Amerika auszuwandern. Es gelang dem jungen Wissenschaftler, einen Ruf an die University of Philadelphia zu erhalten. Dort unterrichtete Wieschhoff nicht nur eine Reihe afrikanischer Studenten, die später in ihren Heimatländern bedeutende Führungspositionen einnehmen sollten, sondern er konnte auch seine Afrika-studien – nunmehr im Auftrag der US-Regierung – fortsetzen.

Heinrich Albert Wieschhoff hatte inzwischen die amerikanische Staatsangehörigkeit angenommen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete sich ihm eine völlig neue Perspektive. Bei den im Aufbau befindlichen Vereinten Nationen fungierte er ab 1946 zunächst als Fachmann für Kolonialfragen und stieg bald zum Abteilungsdirektor auf. Wegen seiner außergewöhnlichen organisatorischen Fähigkeiten übernahm er nach und nach weitere Führungspositionen innerhalb des Verwaltungsapparates.

Wieschhoff wird engster Vertrauter Hammarskjöld

Dag Hjalmar Agne Carl Hammarskjöld war von 1953 bis zu seinem Tod 1961 Generalsekretär der Vereinten Nationen. Foto (c) UN

Schicksalhaft sollte nun die Begegnung mit dem 1953 neugewählten UNO-Generalsekretär werden. Dag Hammarskjöld war von den Fähigkeiten Wieschhoffs derart überzeugt, dass er ihn zu einem seiner engsten Vertrauten machte. Zusätzlich ernannte er ihn zum Direktor der Abteilung für internationale Sicherheitsfragen. Wieschhoff gehörte somit zum erlesenen Kreis der internationalen Friedensdiplomatie, als 1960 die Kongokrise ausbrach.

In der ehemaligen belgischen Kolonie hatte der Rebellenführer Moise Tschombe im Juli 1960 die Unabhängigkeit der Provinz Katanga ausgerufen. Man vermutete in dieser Region reiche Vorkommen an Kupfer und anderen wertvollen Mineralien. Ein Bürgerkrieg drohte. Daher handelte die internationale Staatengemeinschaft und entsandte eine Friedensstreitmacht. Doch der Konflikt eskalierte und forderte zahllose Opfer. Aufgrund ihres Engagements waren die Vereinten Nationen nun verpflichtet, die Region zu befrieden.

Hammarskjöld verließ sich in dieser Angelegenheit völlig auf den Ratschlag Wieschhoffs. Und mit dessen Geschick und seinen Kontakten gelang es, den Boden für Verhandlungen zu bereiten. Ein geheimer Plan sah ein Treffen mit Moise Tschombe in Ndola vor, einer kleinen Stadt im heutigen Sambia. Im September 1961 reisten der Generalsekretär und seine Delegation in die Krisenregion; in Leopoldville (heute Kinshasa) machten sie Station.

Von dort aus startete am Nachmittag des 17. September ein Flugzeug mir dem Vorauskommando nach Ndola, knapp eine Stunde später folgte die viermotorige Maschine mit Hammarskjöld und Wieschhoff an Bord. Um befürchteten Anschläge auszuweichen, nahm das zweite Flugzeug einen weiten Umweg. Nachdem das Vorauskommando wohlbehalten am Zielort angekommen war, meldete sich kurz nach Mitternacht der Pilot der zweiten Maschine zur Landung an. Dann riss der Funkkontakt ab. In den Mittagsstunden des nächsten Tages wurde das ausgebrannte Flugzeugwrack rund sechs Kilometer vom Flughafen Ndola entfernt gefunden; 15 Menschen, darunter Hammarskjöld und Wieschhoff waren tot; ein weiteres Delegationsmitglied verstarb im Krankenhaus. Die Ursache des Absturzes konnte nicht ermittelt werden, bis heute ranken sich darum zahlreiche Spekulationen, vom Navigationsfehler bis zum Abschuss durch die Rebellen.

Grafik (c) FdF

Am 28. September 1961 fand im UNO-Plenarsaal von New York eine große Trauerfeier statt, bei der die Verdienste der UNO-Diplomaten gewürdigt wurden. Anlässlich der 50.Wiederkehr des Todestages veröffentlichte die UNO in diesem Jahr eine besondere Festschrift, die auch Wieschhoff gewidmet ist. In seiner Heimat hingegen blieb der ungewöhnliche Lebensweg diese engagierten Forschers und weltweit geschätzten Diplomaten bis heute weitgehend unbekannt.

Nach dem Bönener Diplomaten wurde die Heinrich-Wieschhoff-Straße benannt, die kurz hinter dem Ortseingang am neuen Kreisverkehr von der Bahnhofstraße abzweigt.

Quelle: Westfälischer Anzeiger vom 17.09.2011