Der vergessene Bunker in Bramey

Ziemlich unscheinbar ragt der Grashügel abseits der viel befahrenen Kamener Straße in die Landschaft. Dass sich darunter ein vergessener Bunker befindet, wissen wohl nur die wenigsten Bönener. © Karl Löbbe

Erstveröffentlichung am 03.07.2022 im Westfälischen Anzeiger.

Ein grasbewachsener Hügel mit einer Bank. Da kommt erst mal niemand auf die Idee, dass darunter ein Luftschutzbunker liegt. Abseits der Kamener Straße in Bramey erinnert einzig ein Schild an das unterirdische Bauwerk, das einst Leben rettete. Das hatten Johanna Gärtner und Heinz-Friederich Schlockermann 2005 initiiert gegen das Vergessen.

Bönen – Es ist ein kleiner Hügel, kegelförmig, mit dichtem Gras bewachsen, auf den ersten Blick unbedeutend. Daneben einige Hecken, Bänke laden zur Rast ein – ein friedliches Idyll vor dem Panorama reifender Getreidefelder. Ein ruhiges Eckchen, nur wenige Meter abseits der viel befahrenen Kamener Straße. Eine Info-Tafel weckt dann aber doch Neugier. Im Mai 2005 auf Betreiben von Johanna Gärtner und dem damaligen Ortsvorsteher und Vorsitzenden des Heimatvereins Kerspell Fle-ik, Heinz-Friedrich Schlockermann, aufgestellt, liest man da: „60 Jahre danach – 1945 bis 2005“, dazu der Hinweis: Erinnerung an den „Igelbunker“ im „Niemandsland“ von Bramey.

Relikte eines inzwischen abgerissenen ehemaligen IGEL Bunkers im Münsterland. (c) Holger Raddatz
Relikte eines inzwischen abgerissenen ehemaligen IGEL Bunkers im Münsterland. (c) Holger Raddatz
Schematische Darstellung des Innenraums. (c) Holger Raddatz
Schematische Darstellung des Innenraums. (c) Holger Raddatz

Also nichts mit Idylle. Die Wirklichkeit verbirgt sich unter dem Hügel: Ein Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg. Es ist ein ehemaliger Luftschutzbunker. Über die Grünstraße, direkt gegenüber der früheren Gaststätte Strätker (vormals Schäfer/Gärtner) gelangt man zu dem besagten Schutzraum. Erbaut wurde er während des Krieges auf Betreiben der Verwaltung der Schachtanlage Königsborn III/IV für zehn Bergarbeiterfamilien, die damals in Bramey lebten. Die nötigen Baumaterialien und Bauleute stellte die Zeche. Die Bauleitung hatte der Grubensteiger Heinrich Schäfer, Johanna Gärtners Vater. Später betrieb dieser die Gaststätte an der Kamener Straße, die unter dem Namen „Apen- Henrich“ populär war.

Solche Bunker, meistens aus Stahlbeton, wurden vor allem in den letzten Kriegsjahren, vielfach über Stadt und Land verstreut, gebaut. Oft nur für wenige Personen gedacht, galten als zerstörungssicher. Schäfers Tochter Johanna Gärtner konnte sich noch an viele Details erinnern.

Auf der Info-Tafel schreibt sie: „Ein dicker runder Pfeiler stand in der Mitte. Drum herum und an den Außenwänden hatten die Zechenschreiner Bänke gezimmert. Innen saßen die Kinder, außen die Erwachsenen. Ein Zick-Zack-Eingang sollte die Druckwellen bei Detonationen abhalten. Daneben gab es einen Notausgang, einen Lüftungsschacht, ein Ofenrohr und elektrisches Licht. Von außen war der Bunker mit Rasen bedeckt. Jede Familie hatte eine Reinigungswoche, im Winter war der Ofen zu heizen.“

Menschenleben gerettet

„Meiner Mutter Johanna war es sehr wichtig, über diesen Ort und seine Bedeutung als mahnende Erinnerung zu informieren“

Anne Dreiskemper

„Meiner Mutter Johanna war es sehr wichtig, über diesen Ort und seine Bedeutung als mahnende Erinnerung zu informieren“, berichtet heute Anne Dreiskemper, geborene Gärtner, jetzt Düsseldorf. Immer habe sie davon gesprochen, wie dankbar sie dem Vater gewesen sei, dass dieser den Schutzbau in die Tat umgesetzt habe, der viele Menschenleben gerettet hat. Denn immerhin 35 bis 40 Personen fanden in der zylindrischen Konstruktion Schutz. Der Weg zum Zentralbunker sei viel zu weit gewesen. Ob es jemals Verletzte oder gar Tote gegeben hat, konnte nicht ermittelt werden.

Und wie wichtig dieser Bunkerbau für die Menschen in Bramey tatsächlich war, gerade auch wegen der unmittelbaren Nähe zur Zeche, kann man einem Bericht von Karl-Heinz Maaß entnehmen. In „Bönen – Erinnerungen in Bildern bis 1968“ beschreibt er den schweren Luftangriff auf Altenbögge und Bönen am 27. März 1945, der vor allem zum Ziel hatte, die Schachtanlagen zu zerstören. Schwer getroffen wurden daneben der Bahnhof, die Christ-König-Kirche und viele der Wohnsiedlungen auf der Bönener Höhe. Zahlreiche Bomben seien zwischen Kletterpoth und Bahnlinie gefallen, die Spuren teilweise heute noch im Trimm-Dich-Wald sichtbar. Die Menschen aus Bramey hätten den großen, von der Zeche gebauten unterirdischen Schutzbunker an der Bismarckstraße (heute Bahnhofstraße), nie rechtzeitig erreichen können. Er befand sich etwa da, wo heute die UKBS-Häuser stehen. Bei aufkommender Panik habe es damals viele Tote und Verletzte gegeben, so der Chronist.

In Vergessenheit geraten

Nach dem Krieg geriet der kleine Bunker in Vergessenheit. Er wurde zum Spielobjekt für die Brameyer Kinder, wie Anne Dreiskemper und Nachbarin Wilma Isaak übereinstimmend berichten. „Wir konnten dort prima Verstecken spielen. Nur die Eltern hatten immer Angst, dass uns was passierte oder wir uns an den herausragenden Betonteilen und Metallrohren verletzten. Schließlich hat man zunächst den Eingang, später den ganzen Hügel zugeschüttet.“ Aktuell trotzen ein paar scharfkantige Betonteile dem Bewuchs. Auf der Kuppe verbirgt sich ein abgeschnittenes Eisenrohr, vielleicht von der Mittelsäule. Für Johanna Gärtner und Heinz-Friedrich Schlockermann war dieser Hügel ein Stück erlebte Geschichte und Mahnung für kommende Generationen.