Eine Leiter begeistert die Archäologie

Die Pfostenlöcher zeigen einen größeren Hausgrundriss an, der zu einem Neunpfostengebäude gehörte. Foto: EggensteinExca
Zwei Hölzer, von denen das kleinere quer im größeren steckt und die einst zu einer Leiter gehörten. Foto © LWL/Stefan Brentführer

von Eva Cichy

Bönen. (LWL) Da baut man mühselig einen tiefen Brunnen und dann versandet er. Oder man zieht gerade einen vollen Eimer hoch, dann reißt das Seil und der Eimer fällt zurück ins Wasser. Oder man lehnt sich zu weit über den Brunnenrand und verliert ein Schmuckstück. Was tun? Zum Glück gibt es ja Leitern – und wie wir seit 2012 wissen, gab es sie auch schon in der Eisenzeit.

Dieses Wissen ist einem Glückstreffer zu verdanken, denn Funde aus Holz sind auf archäologischen Ausgrabungen sehr selten. Nur bei speziellen Bodenverhältnissen, etwa in nasser, sauerstofffreier bzw. besonders sauerstoffarmer Umgebung, können sie die Jahrtausende überdauern. In Bönen kam es 2012 zu so einem glücklichen Zufall: Hier waren nicht nur Teile eines aus Eiche gebauten Brunnenschachtes erhalten geblieben, sondern es fand sich auch noch der Rest einer Steighilfe auf der Brunnensohle.

Wenn man an heute übliche Leitern denkt, wirkt die Konstruktion auf den ersten Blick ungewöhnlich. In einen vierkantigen, unten angespitzten Holm aus Erle ist eine Sprosse aus Eiche eingesetzt worden. Diese ist an einem Ende leicht verdickt, um nicht durch das rechteckige Zapfloch zu rutschen. Abnutzungserscheinungen deuten darauf hin, dass die Sprosse beim Benutzen der Leiter nach unten gedrückt wurde, sie also kein Widerlager in einem zweiten, parallelen Holm hatte. Dies bedeutet, dass es sich um den Rest einer Einholmleiter handelt. Derartige Leitern finden heute noch Verwendung, zum Beispiel in schwierigem Gelände, als Kletterhilfe auf alpinistischen Routen, aber auch im Forstwesen, im Bergbau oder bei der Obsternte. Die Vorteile dieser Einholmleitern sind in erster Linie, dass sie leichter sind als herkömmliche Leitern und relativ platzsparend eingesetzt werden können.

Bei der Datierung unseres Fundes half Keramik, die in großer Menge in der Brunnenverfüllung entdeckt wurde. Die Gefäßformen sprachen für ein hohes Alter und eine Datierung in die mittlere Eisenzeit. Um wirklich sicher zu sein, wurde außerdem Holzkohle von der Brunnensohle mit der Radiokarbonmethode datiert. Das Datum passte wunderbar zum Alter der Keramik.

Damit ist sicher: Der Fund aus Bönen zählt zu den ältesten erhaltenen Leitern Europas! Da die Menschen bereits in der Jungsteinzeit tiefere Brunnen anlegten, vermuten wir, dass sie auch schon Leitern benutzten. Die bisher ältesten Nachweise waren Felsbilder mit Hausdarstellungen im berühmten Tal Valcamonica in Norditalien, die zeigen, dass Leitern spätestens ab der Eisenzeit zur gängigen Ausstattung von Gebäuden gehörten. Mit dem Bönener Fund ist erstmals eine derartige Leiter mit allen Bestandteilen in einer Siedlung aufgefunden worden.

Eva Cichy